Pater Josef Kentenich Portraits

„Die Barmherzigkeit Gottes dürfen wir uns vorstellen
wie eine leicht angelehnte Tür, die jedes Kind aufwerfen kann.“

J. Kentenich

 

 

Unterwegs zum Osterfest

Mit Christen rund um den Erdball gehen wir in diesem Jahr der Barmherzigkeit auf das Osterfest zu. Es ist in diesem Jahr eine besondere Zeit. Papst Franziskus schreibt:

„Die österliche Bußzeit soll in diesem Jubiläumsjahr noch stärker gelebt werden als eine besondere Zeit, in der es gilt, die Barmherzigkeit Gottes zu feiern und zu erfahren. Wie viele Seiten der Heiligen Schrift bieten sich in den Wochen der Fastenzeit zur Meditation an, um das barmherzige Antlitz Gottes wiederzuentdecken! Mit dem Propheten Micha können auch wir sagen: Du, Herr, bist ein Gott, der die Schuld verzeiht und das Unrecht vergibt. Du hältst nicht für immer fest an deinem Zorn; denn du liebst es, gnädig zu sein. Du, Herr, wirst wieder Erbarmen haben mit deinem Volk und unsere Schuld zertreten. Ja, du wirfst all unsere Sünden in die Tiefe des Meeres hinab (vgl. Mi 7,18-19).“
(Papst Franziskus, Misericordiae Vultus)

 

Das offene und verschlossene Tor

Das Bild, das wir bei diesem Wort Pater Kentenichs vor uns haben, kann uns den Sinn der österlichen Bußzeit deuten. Es ist zugleich schon ein Vorausblick auf die Osternacht, die wir am Ende dieses Monats feiern.

Die Bibel erzählt im Buch Genesis, wie Adam und Eva nach dem Sündenfall aus dem Garten Eden verbannt werden. Das Tor wird hinter ihnen geschlossen, ein Engel mit Flammen­schwert bewacht den Zugang zum Baum des Lebens (vgl. Gen 3). Das verschlossene Tor ist ein Bild für die zerbrochene Beziehung.

Durch seinen Tod am Kreuz hat Jesus Christus uns die Tür zum Paradies, die Tür zum Vater wieder aufgestoßen. Es ist aber nicht einfach so, wie es vor dem Sündenfall war. Der Zugang zum Vater ist ein neuer, viel intensiver. Wer getauft ist, lebt in Christus, er ist in ihm Kind des Vatergottes geworden.

Jedes Jahr in der Osternacht werden wir daran erinnert: Das Exsultet der Osternacht – der Lobgesang auf das Licht der Osterkerze – enthält das Wort: „O staunenswertes Erbarmen, mit dem du dich uns zuneigst. (…) O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat. O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden.“

Der Zugang zum Vater, die geöffnete Tür, ist die Taufe. Aber die Anfälligkeit, sich zu verfehlen und zu sündigen bleibt. Daher brauchen wir immer neu die Erlösung durch Christus.

 

Die Pforten der Barmherzigkeit im Heiligen Jahr

Ein Symbol für die uns angebotene Versöhnung mit Gott ist im Heiligen Jahr die Heilige Pforte. Papst Franziskus hat das Heilige Jahr der Barmherzigkeit eröffnet durch die Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom. Mittlerweile stehen in aller Welt „Pforten der Barmherzigkeit“ offen. Auch das Urheiligtum in Schönstatt und weltweit viele Heiligtümer haben das Privileg einer „Heiligen Pforte“.

Der Brauch der Heiligen Pforte wurde erstmals zum Heiligen Jahr 1400 im Zusammenhang mit der Lateranbasilika erwähnt und später auf die anderen Papstkirchen ausgeweitet. Durch die Pforte der Barmherzigkeit überschreiten die Pilger sinnbildlich die „Schwelle”, um sich mit Gott zu versöhnen.

Die symbolische Handlung, eine Heilige Pforte zu durchschreiten, soll die innere Bewegung auf Gott hin ausdrücken: Ich möchte neu anfangen, ich will mit aller Kraft in Gott hineingehen und zurücklassen, was meine Beziehung zu ihm stört. Es ist ein barmherziger Vater, der uns jenseits der Tür erwartet. Das Wort Pater Kentenichs trifft hier zu: „Die Barmherzigkeit Gottes dürfen wir uns vorstellen wie eine leicht angelehnte Tür, die jedes Kind aufwerfen kann“ (4.3.1957).

 

Die Tür in ein neues Leben

Pater Kentenich zitiert einmal das Wort aus dem Exsultet „O glückselige Schuld“ und betont akzentuiert: „Aber glückselige Schuld! Gott weiß die Sünden des Menschen zum Besten des Menschen auszunützen“ (13.5.1945).

Manchmal erleben gerade Menschen, die weit ins Abseits geraten sind, dieses Glück der inneren Befreiung besonders intensiv. Ich denke an die Begegnung mit einer Frau Anfang 60, eine Persönlichkeit mit Ausstrahlung, vornehm in ihrer Kleidung und ihrem Auftreten und offenbar mit sich im Frieden. Im Gespräch erzählt sie, dass es in ihrer Lebensgeschichte nicht immer so war: Nach dem frühen Tod ihres Man­nes verfiel sie dem Alkohol, wurde zur Trinkerin, verlor immer mehr von ihrem Vermögen. Immer häufiger blieb sie unterwegs betrunken liegen, schließlich verweigerten ihr ihre Angehörigen die Aufnahme. Endlich war sie bereit zu einer Therapie, mehrere Entziehungs­kuren folgten, doch jedes Mal wurde sie rückfällig. „Ich habe mich nur noch verachtet“, sagt sie, „und manches, was ich in den Kuren erlebte, verstärkte das noch.“ Die letzte Kur schien besser zu laufen, sie wurde als geheilt entlas­sen. Doch sie selbst rechnete damit, dass sie wohl nicht lange durchhalten würde. In dieser Zeit wurde sie von einer Bekannten zu einer Veranstaltung nach Schönstatt mitgenommen und besuchte das Schön­stattheiligtum. Dort wurde ihr mit einem Mal klar und zur tiefen Erfahrung: Gott liebt mich, ich bin sein Kind und daran kann auch die Sucht nichts ändern. Gott ist barmherzig.

Diese Erfahrung hat ihr Leben verändert. Als sie bald darauf mit ihrer Bekannten die Osternacht besuchte, hörte sie die Worte des Exsultet: „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden.“ – „Das ging mir mitten in die Seele, das ist mein Kern­wort“, so sagt sie. „Ich bin so dankbar auch für meine Irrwege. Denn früher war mein Glaube eine Funktion neben anderen, ich habe meine religiösen Pflichten erledigt, mehr nicht. Jetzt aber ist mein Glaube mein ganzes Glück. ‚Glückselige Schuld‘, ja, das habe ich wirklich erlebt.“

 

Ein guter Begleiter

Die Tür der Barmherzigkeit Gottes steht uns immer zur Verfügung. Aber oft ist es uns sogar zu schwer, die leicht angelehnte Tür aufzustoßen. Da ist es gut, jemanden zu haben, der uns dazu ermutigt und hilft.

Pater Kentenich ist zu seinen Lebzeiten für viele Menschen zu einem solchen Begleiter geworden. Schon als junger Priester vermochte er es, den Jungen als geistlicher Mentor (Spiritual) die barmherzige Vergebung Gottes spürbar werden zu lassen.

Einer der damaligen Schüler erzählte später als Priester folgende Episode: Den Schülern des Internates standen drei Beichtväter zur Verfügung. Er habe damals überlegt, bei welchem Pater er beichten solle. Er entschied sich zu beobachten, wie die anderen Schüler aussehen - was sie für ein Gesicht machen -, wenn sie vom Beichten kommen.

Er begab sich also in die Nähe eines Beichtstuhls. Der erste Junge kam heraus, er machte ein ganz normales Gesicht, recht fromm, die Hände gefaltet, er ging in die Bank. Beim zweiten war es so ähnlich. Danach, so erzählt der Beobachter weiter, sei er auf die Empore gegangen, wo auch Beichtgelegenheit war. Dort habe er gesehen, wie alle, die aus dem Beichtzimmer kamen, über's ganze Gesicht strahlten. Und dann habe er sich vorgenommen: “Da gehst du hin.“ - Dieser Beichtvater war Pater Kentenich.

Über allem stand bei Pater Kentenich die Barmherzigkeit Gottes. Bei ihm konnte man sicher sein, dass er einen trotz aller Grenzen nie aus seiner Liebe entließ. Er sagte einmal, wenn jemand noch so viele Schwächen hätte, das würden ihn nicht daran hindern, diesen Menschen gern zu haben.

Pater Kentenich ist auch heute für viele Menschen ein Wegbegleiter hinein in die barmherzige Vaterliebe Gottes. Empfehlen wir deshalb uns und die Menschen, denen wir eine tiefe Ostererfahrung wünschen, seiner Fürbitte und seinem Segen.