„Wenn Sie die heutige Zeit einmal überblicken, dann werden Sie finden: Es gibt Millionen, die sind Gläubiger der Liebe, die warten und warten auf Liebe, dass sie ihnen geschenkt wird. Ob Sie den Ausdruck verstehen: ‚Gläubiger der Liebe‘? Das sind an sich Hungerkünstler auf dem Gebiete der Liebe, Gläubiger oder Hungerkünstler“, so beschreibt Pater Kentenich schon in den 50er Jahren die Situation. Heute ist es noch krasser.
Ein Mensch, der stark „ausgehungert“ ist in seinem Liebeshunger, gerät seelisch unter das Existenzminimum. „Minimum“ heißt ein Buch des Journalisten Frank Schirrmacher. Es untersucht die Bedeutung der Familie für das Überleben der Gesellschaft. Seine Botschaft: Familie ist das unverzichtbare, minimale Element, wenn unsere Kultur Zukunft haben soll. Familie macht die Gesellschaft widerstandsfähig gegen Katastrophen. Und wenn es tatsächlich zu Katastrophen kommt, liegt die Zukunft wiederum in Familien, die Kraft haben, eine neue, bessere Kultur aufzubauen.
Der Grund dafür liegt in der besonderen Art von „Sozialgerechtigkeit“, die in einer gesunden Familie gilt. Eine Geschichte erzählt davon. Sie heißt
Ein kleiner Junge hat die Idee, seiner Mutter eine Rechnung zu schreiben für alles, was er ihr in letzter Zeit geholfen hatte: dreimal eingekauft, macht vier Euro, zweimal gespült, macht zwei Euro usw. Die Mutter gibt ihm daraufhin kein Geld, sondern eine „Gegenrechnung“: So und so viele Stunden an deinem Bett gewacht, als du hohes Fieber hattest; so und so oft gekocht, Löcher gestopft usw. Vieles listet sie auf. Aber bei jedem dieser Posten steht als Kostenpunkt: „Nichts“, so ist die Summe: „Nichts“.
Liebe rechnet nicht, sondern gibt überfließend, soviel der andere braucht.
Diese Art von „Gerechtigkeit“ schenkt der Vatergott seinen Kindern: Unendliche Liebeszuwendung, soviel der Einzelne braucht, um in seinem Liebeshunger satt zu werden. Das ist das Geheimnis seiner Barmherzigkeit. Die Welt heute braucht diese Art der Zuwendung, denn gerade die Verelendung der Menschen in ihrer Sehnsucht nach Liebe ist groß.
In Schönstatt hat Gott sich als der barmherzige Vater neu auf den Weg zu den hungernden Menschen gemacht. So erleben Menschen in aller Welt das Schönstattheiligtum.
Pater Kentenich sagt: „Unser Kapellchen ist der Liebesdom für unsere heutige Zeit. An seinen Mauern soll sich das Leid der heutigen Menschheit brechen, in seinem Innern wohnt die Gottes- und Seelenliebe in einzigartiger Weise. In seinem Frieden wird auch das zerquälteste Herz ruhig, weil es bei Vater und Mutter ist ... Von hier aus soll ihr, der armen, verhetzten Welt, die Wahrheit und der Friede und die Liebe kommen.“
Viele Menschen erfahren an sich selbst, wie wahr dieses Wort ist. Eine Frau, die sich von klein auf als ungewolltes Kind erlebte und bis heute dadurch viele Probleme hat, hörte in Schönstatt zum ersten Mal vom Geschenk der Gotteskindschaft und hatte im Heiligtum die Erfahrung: Gott liebt mich persönlich. Sie sagt: „Das war für mich wie eine Befreiung nach langen Jahren. Gott hat mir persönlich einen Wert gegeben, der nicht von meinen Eltern kommt und den sie mir nicht nehmen konnten.“
Frank Schirrmacher fördert in seiner Studie „Minimum“ noch etwas zutage: Wenn Familie gelingt, steht eine Frau dahinter. Frauen sorgen, dass keiner zu kurz kommt, Frauen vermitteln, Frauen haben immer noch etwas zu geben, auch wenn materiell nichts mehr da ist. „Und immer dann, wenn die Ressourcen schwinden und existenzielle Gerechtigkeit gefragt ist, schlägt die Stunde der Frauen“, schreibt Schirrmacher. Was Schirrmacher hier aufdeckt, erleben wir auf anderer Ebene: Auch in der Vermittlung des Vatergottes als dem Gütigen und Menschenfreundlichen schlägt offensichtlich „die Stunde der Frau“, die Stunde der Gottesmutter. Es ist auffallend, wie positiv Menschen – gerade die, die nichts mehr vom Glauben wissen – auf sie reagieren. Die Erfahrungen mit dem Pilgerheiligtum zeigen das. Die Bindung an sie hilft, Urvertrauen gegenüber dem gütigen Gott zu entwickeln, der uns gut ist, gleichgültig, wie gut oder miserabel wir sind.
So fasst Pater Kentenich zusammen, wie wir das Wirken der Gottesmutter in den Schönstattheiligtümern erleben. Das gilt gerade für Menschen in Notsituationen. Für sie ist es oft schwer zu verstehen, warum Gott nicht hilft, ein Leiden nicht nimmt, die nötigen Existenzmittel nicht schickt. Die Nähe der Gottesmutter reicht auch in solche Verfassungen hinein. Das Wort Pater Kentenichs, vom Heiligtum als „Liebesdom für unsere Zeit“, in dessen Frieden „auch das zerquälteste Herz ruhig (wird), weil es bei Vater und Mutter ist“, ist buchstäblich erfahrbar.
Eine Frau schreibt: „Ich ging dem Wunsch nach, die Abtreibung aufzuarbeiten. Es sollte jemand da sein, der zuhört. Gestern Morgen beim Aufstehen hatte ich die Lösung. Ich mache mich auf den Weg zum Kapellchen. Dort wartet die Therapeutin: die Gottesmutter. Sie hat immer Zeit, und beide Ohren sind offen, doch vor allem ihr Herz.“
Wie viel Erfahrung von Nähe der Gottesmutter im Heiligtum steckt in einem solchen Zeugnis. Und wie viel menschliche und übernatürliche Hilfe ist Voraussetzung, bis eine solche Erfahrung greift. Pater Kentenich betet sehr bewusst:
„Wenn wir auf eigene Kräfte schauen,
sinkt jedes Hoffen und Vertrauen.
Wir reichen, Mutter, dir die Hände
und flehn um reiche Liebesspende!“
Diese Liebesspende brauchen die Menschen mit „zerquälten“ Herzen.
„Liebe Brüder und Schwestern, wie sehr möchte ich, dass die Orte, an denen sich die Kirche zeigt …, zu Inseln der Barmherzigkeit im Meer der Gleichgültigkeit werden!“, so schreibt Papst Franziskus in seiner Botschaft zur Fastenzeit 2015.
Solche Inseln der Barmherzigkeit hat die Gottesmutter in aller Welt erstehen lassen durch ihre Schönstattheiligtümer. Nur sie weiß, wie viele Menschen – Gläubige und scheinbar Ungläubige – sich zu ihr flüchten in ihren seelischen Nöten. Die Wunder, die die Dreimal Wunderbare Mutter, Königin und Siegerin von Schönstatt in ihren Heiligtümern wirkt, sind keine leiblichen Heilungen. Es sind Wunder der inneren Wandlung, dass Menschen, die sich und andere schon aufgegeben hatten, neu aufleben. Und denen sie aufhilft, die gebraucht sie, um anderen das weiterzuschenken. Da schreibt jemand: „Ich habe so viele Menschen in meinem Leben erlebt, die verletzten. Doch bei genauem Hinsehen stellte ich fest, es war ein versteckter Hilfeschrei. Sie waren auf der Suche, doch sie wussten nicht, wonach. Wer Gott nicht kennt, ist verloren. Deshalb tut mir Schönstatt so gut. Jedes Mal, wenn ich an der Welt verzweifeln könnte, kann ich kommen und erleben, da sind Menschen, die seine Liebe leben, und sie tragen sie hinaus in die Welt. Ohne dieses Wissen könnte ich nicht leben.“
Die Erfahrung der persönlichen Liebe der Gottesmutter ist eine Kraftquelle, um menschenunwürdigen Verhältnissen nicht schutzlos ausgeliefert zu sein.
Die Schönstattheiligtümer sind Orte, an denen sich Kirche zeigt als Insel der Barmherzigkeit im Meer der Gleichgültigkeit. Hier wird die Nähe des barmherzigen Vatergottes greifbar, wird seine Barmherzigkeit „geerdet“: durch das Heiligtum, durch die Person der Gottesmutter. Durch die verschiedenen Schönstattgemeinschaften finden Menschen Halt. Vom Heiligtum als „Liebesdom“ aus spannt sich ein Inselnetz der Liebe über die Welt, das das Erbarmen Gottes hineinträgt in das alltägliche Leben.
© Sekretariat Pater Kentenich